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Wie ich über den Weltfrauentag schreiben wollte – und scheiterte

Kathrin Lange • 8. März 2025
Wie ich über den Weltfrauentag schreiben wollte  – und scheiterte

Eigentlich wollte ich gestern einen Text zum Weltfrauentag schreiben. Ich wollte mich darüber aufregen, dass Werbung lief, die Frauen anlässlich des 8. März’ Parfümproben versprach oder gar Rosen. Ich wollte gegen Kapitalismus und Patriarchat wüten, vor allem dagegen, dass, in derselben Sekunde, in der in Deutschland über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert wird, sofort die Forderung im Raum steht: Dann aber für alle, also für Männer UND Frauen!
Ich wollte darlegen, dass ich das für eine völlig nachvollziehbare Forderung halte. Jedenfalls von dem Tag an, an dem Frauen nachts jederzeit und ohne Angst durch einen dunklen Park laufen können. Von dem Tag an, an dem Frauen nicht mehr Gefahr laufen, verfrüht zu sterben, weil Ärzte die Symptome eines weiblichen Herzinfarktes einfach immer noch nicht erkennen. An diesem Tag dann reden wir gern darüber, dass Frauen zur Landesverteidigung auch die Waffe in die Hand nehmen und ihr Land verteidigen gegen Typen mit Schwanz und Großmachtsphantasien. Vorher: Denkt nichtmal dran, liebe Männer!

Denkt nicht mal dran, uns zum Weltfrauentag Rosen zu schenken, wenn ihr nicht Gefahr laufen wollt, dass wir anfangen zu schreien.

Ich wollte heute morgen etwas zum Weltfrauentag schreiben, dann las ich die zum Tag so wunderbar passende Schlagzeile meiner Tageszeitung. "Mehr Frauen im Parlament? CDU blockiert Paritätsgesetz". Aus welchem Grund auch immer flog mich eine Erinnerung an. Ich erinnerte mich an einen Nachmittag auf einem Krimifestival, wo, weiß ich nicht mehr, nur noch, dass es etliche Jahre her sein muss. Ich weiß noch, dass ich mit einigen Verlagskolleginnen und einer meiner Lektorinnen zusammensaß, und das Gespräch auf das Thema Autorenhonorare kam.
Irgendwann dann fiel dieser eine Satz. Eine Kollegin sagte ihn zu meiner Lektorin: „Der Unterschied zwischen dir und mir ist, dass du von meiner Arbeit leben kannst, ich hingegen nicht.“
Große Augen. Befangenheit an der Kaffeetafel. Darüber spricht man doch nicht so laut und öffentlich! Wie kannst du es wagen?
Wenn Männer auf Misstände aufmerksam machen oder ihr Gehalt energisch verhandeln, gelten sie als zielstrebig. Tun Frauen dasselbe, gelten sie als unbequem und zickig.
Ich machte mich auf die Suche nach einem Thema, das Weltfrauentag und die Situation von uns Autor*innen verbindet. Ich fand Fay Weldon, die auf der Preisverleihung des Booker Prices eine spektakuläre Rede gehalten hat. Der folgende Text von ihr stammt aus dem Jahr 1983!

Die Schriftsteller wissen sehr wohl, dass sie wie Atlas sind, dass sie die gesamte literarische Welt auf ihren Schultern tragen: all jene, die von den Schriftstellern abhängig sind, was ihr Einkommen, die Ausübung ihrer besonderen Fähigkeiten, ihren Status und ihre Arbeit betrifft. Verleger, Buchhändler, Redakteure, Bibliothekare, Journalisten, Akademiker, Festivalveranstalter, Kulturräte und so weiter. Nichts ohne die Schriftsteller. (...). (https://thebookerprizes.com/the-booker-library/features/how-fay-weldons-anti-publisher-speech-became-one-of-the-booker-prizes; Übersetzung durch die Autorin)

Ich wollte über den Weltfrauentag schreiben. Vielleicht wäre es ja ein Thema, dass Werke von Frauen immer noch weniger besprochen werden als die von Männern? Doch das haben andere vor mir besser und ausführlicher getan. Nicole Seifert zum Beispiel mit ihrem lesenswerten Buch "Frauenliteratur". Ein paar hundert Seiten für alle, die einmal so richtig, richtig wütend werden wollen, vor allem angesichts der Tatsache, dass weltweit gerade wieder Frauenrechte Stück für Stück zurückgefahren werden und dass wir uns zumindest im Frauenbild mancher Politiker langsam wieder den 50er Jahren annähern.

Ich wollte über den Weltfrauentag schreiben, und dann las ich im Internet die Frage, ab wann Margaret Atwood die USA wegen Urheberrechtsverstößen verklagen kann. In meiner Not googele ich „Zitate zum Weltfrauentag“ und stoße auf eine Seite, auf der Glückwünsche aufgelistet sind für alle, die nicht wissen, wie sie uns Frauen gratulieren sollen. Kostprobe gefällig? Ein Hoch auf das weibliche Geschlecht! Ich wünsche dir einen glücklichen Weltfrauentag 2024.

Na dann.
von Kathrin Lange 29. Januar 2025
Farbspiele oder ist jetzt wirklich alles politisch? Ich spiele mit Worten und Buchstaben. Woher kommt das N?, frage ich mich. Bei Rot heißt es "die Roten". Bei Grün "die Grünen". Bei Gelb "die Gelben". Aber bei Lila? "Die LilaNen". Woher kommt das N? Am Vokal am Ende des Wortes kann es nicht liegen, denn es heißt ja auch Blau, "die Blau…Nen. Mist.
von Kathrin Lange 29. Januar 2025
Wir erzählen uns Geschichten, um uns die Welt plausibel zu machen. Der Philosoph und Historiker Yuval Noah Harari geht sogar so weit, dass er behauptet, die Fähigkeit, uns Geschichten zu erzählen, an die wir als Gemeinschaft glauben, hat uns erst zum Menschen gemacht. Wenn ich mal wieder mit dem Lauf der Welt hadere (und das passiert in diesen Wochen und Monaten sehr, sehr häufig), dann hilft es mir, mich hinzusetzen und meine Gedanken nicht nur aufzuschreiben, sondern sie in Geschichten, in kleine Dialoge, Gedichte oder einfach nur kurze Sequenzen zu verpacken. Schreibend mache ich mir die Welt verständlich. Das sind zum Einen meine "Taxitexte". Entstanden sind sie als Spin-off meiner Thriller-Reihe um den Berliner Ermittler Faris Iskander. Als der Verlag die Reihe ("wegen zu viel Politik") einstellte, habe ich Faris sozusagen entlassen. Seitdem fährt er Taxi und ab und zu steigen Menschen bei ihm ein, mit denen er ins Gespräch kommt. Über Alltagsrassismus, Demokratiefeindlichkeit, Rechtsruck. Eine dieser Geschichten – "Jagdsaison 2023" – habe ich 2019 bei einem Wettbewerb für die politische Kurzgeschichte eingereicht und wurde damit in der Kategorie "Nachdenklichster Text" ausgezeichnet. Und dann gibt es da noch Frau Mo. Auch sie dient mir als Gesprächspartnerin, wenn ich mal wieder Dinge nicht verstehe. Frau Mo fragt einen Soziologen, der in ihrem Stammcafé sitzt, danach, was autoritär-konservative Kommunikation ist. Geschrieben habe ich die Geschichte nach dem Anhören einer Folge des Podcasts "Piratensender Powerplay", in dem die beiden Hosts sehr klug und manchmal auch etwas zu akademisch "Das Gespräch am Ende der Woche" führen. Alles, was ich mühsam oder komplex finde, verarbeite ich in Geschichten. Das ist auch das Hauptkonzept beim Schreiben meiner Romane, in denen ich komplizierte Themen in spannende Storys verpacke. Es ist dieses Schreiben, das mir Dinge klarer macht. Manchmal werden aber auch einfach nur die Fragen lauter. Wie zum Beispiel in dem Text "Woher kommt das N?"
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