Wie ich über den Weltfrauentag schreiben wollte – und scheiterteEigentlich wollte ich gestern einen Text zum Weltfrauentag schreiben. Ich wollte mich darüber aufregen, dass Werbung lief, die Frauen anlässlich des 8. März’ Parfümproben versprach oder gar Rosen. Ich wollte gegen Kapitalismus und Patriarchat wüten, vor allem dagegen, dass, in derselben Sekunde, in der in Deutschland über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert wird, sofort die Forderung im Raum steht: Dann aber für alle, also für Männer UND Frauen!
Ich wollte darlegen, dass ich das für eine völlig nachvollziehbare Forderung halte. Jedenfalls von dem Tag an, an dem Frauen nachts jederzeit und ohne Angst durch einen dunklen Park laufen können. Von dem Tag an, an dem Frauen nicht mehr Gefahr laufen, verfrüht zu sterben, weil Ärzte die Symptome eines weiblichen Herzinfarktes einfach immer noch nicht erkennen. An diesem Tag dann reden wir gern darüber, dass Frauen zur Landesverteidigung auch die Waffe in die Hand nehmen und ihr Land verteidigen gegen Typen mit Schwanz und Großmachtsphantasien. Vorher: Denkt nichtmal dran, liebe Männer!
Denkt nicht mal dran, uns zum Weltfrauentag Rosen zu schenken, wenn ihr nicht Gefahr laufen wollt, dass wir anfangen zu schreien.
Ich wollte heute morgen etwas zum Weltfrauentag schreiben, dann las ich die zum Tag so wunderbar passende Schlagzeile meiner Tageszeitung. "Mehr Frauen im Parlament? CDU blockiert Paritätsgesetz". Aus welchem Grund auch immer flog mich eine Erinnerung an. Ich erinnerte mich an einen Nachmittag auf einem Krimifestival, wo, weiß ich nicht mehr, nur noch, dass es etliche Jahre her sein muss. Ich weiß noch, dass ich mit einigen Verlagskolleginnen und einer meiner Lektorinnen zusammensaß, und das Gespräch auf das Thema Autorenhonorare kam.
Irgendwann dann fiel dieser eine Satz. Eine Kollegin sagte ihn zu meiner Lektorin: „Der Unterschied zwischen dir und mir ist, dass du von meiner Arbeit leben kannst, ich hingegen nicht.“
Große Augen. Befangenheit an der Kaffeetafel. Darüber spricht man doch nicht so laut und öffentlich! Wie kannst du es wagen?
Wenn Männer auf Misstände aufmerksam machen oder ihr Gehalt energisch verhandeln, gelten sie als zielstrebig. Tun Frauen dasselbe, gelten sie als unbequem und zickig.
Ich machte mich auf die Suche nach einem Thema, das Weltfrauentag und die Situation von uns Autor*innen verbindet. Ich fand Fay Weldon, die auf der Preisverleihung des Booker Prices eine spektakuläre Rede gehalten hat. Der folgende Text von ihr stammt aus dem Jahr 1983!
Die Schriftsteller wissen sehr wohl, dass sie wie Atlas sind, dass sie die gesamte literarische Welt auf ihren Schultern tragen: all jene, die von den Schriftstellern abhängig sind, was ihr Einkommen, die Ausübung ihrer besonderen Fähigkeiten, ihren Status und ihre Arbeit betrifft. Verleger, Buchhändler, Redakteure, Bibliothekare, Journalisten, Akademiker, Festivalveranstalter, Kulturräte und so weiter. Nichts ohne die Schriftsteller. (...).
(https://thebookerprizes.com/the-booker-library/features/how-fay-weldons-anti-publisher-speech-became-one-of-the-booker-prizes; Übersetzung durch die Autorin)
Ich wollte über den Weltfrauentag schreiben. Vielleicht wäre es ja ein Thema, dass Werke von Frauen immer noch weniger besprochen werden als die von Männern? Doch das haben andere vor mir besser und ausführlicher getan. Nicole Seifert zum Beispiel mit ihrem lesenswerten Buch "Frauenliteratur". Ein paar hundert Seiten für alle, die einmal so richtig, richtig wütend werden wollen, vor allem angesichts der Tatsache, dass weltweit gerade wieder Frauenrechte Stück für Stück zurückgefahren werden und dass wir uns zumindest im Frauenbild mancher Politiker langsam wieder den 50er Jahren annähern.
Ich wollte über den Weltfrauentag schreiben, und dann las ich im Internet die Frage, ab wann Margaret Atwood die USA wegen Urheberrechtsverstößen verklagen kann. In meiner Not googele ich „Zitate zum Weltfrauentag“ und stoße auf eine Seite, auf der Glückwünsche aufgelistet sind für alle, die nicht wissen, wie sie uns Frauen gratulieren sollen. Kostprobe gefällig? Ein Hoch auf das weibliche Geschlecht! Ich wünsche dir einen glücklichen Weltfrauentag 2024.
Na dann.